Von fliegenden Kommissionen und Entenschnäbeln – die kommunale (Kreis-) Neugliederung vor 50 Jahren

Serie „50 Jahre Kreis Soest“ – Teil 2: Die Kreisneugliederung zum 01.01.1975

Große Diskussionen, gar Widerstand, begleiteten die Kommunale Gebietsreform vor rund 50 Jahren. Wer in Unterlagen der Kreisverwaltung blättert, findet zahlreiche Belege, dass früher nicht alles unproblematisch war. Das Kreisarchiv Soest hat aus seinem umfangreichen Bestand Wissens- und Bemerkenswertes zum Kreis-Jubiläum zusammengestellt. Daraus ist eine dreiteilige Serie entstanden.

In der zweiten Folge befasst sich der Autor, Kreisarchivar Maximilian Fahrenbach, wie angekündigt mit der kommunalen Kreisneugliederung, anlässlich derer der Kreis Soest in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert:

Anschließend an die gemeindliche Neugliederung der Städte und Gemeinden im Kreis Soest (1969) bzw. zeitgleich zur gemeindlichen Neugliederung der Städte und Gemeinden im Kreis Lippstadt wurde die Kreisneugliederung im heimischen Raum verwirklicht. Schon 1967 las man im Eildienst, der Zeitschrift des Landkreistages NRW, dass das Aufgabenspektrum der Landkreise mehr denn je „eine spezialisierte, fachkundige und rationell organisierte Verwaltung“ erfordere. „Daher muß das Gebiet (des Kreises) so bemessen sein, daß die Landkreise die erforderliche Verwaltungs- und Veranstaltungskraft haben, um ihre Aufgaben in der Eingriffs- und Leistungsverwaltung erfüllen zu können.“

Entwicklungsachse südlich der Lippe

Für eine Umsetzung beauftragte die Landesregierung NRW im Jahr 1967 ein Gutachten bei einem Geographen, Raum- und Regionalplaner, dem Professor Gerhard Isbary. Seine „Begründung für einen Vorschlag zur Reform der Kreisebene in NRW“ beinhaltete u. a. die Idee, die Kreise Soest und Lippstadt zu vereinen. Die Entwicklungsachse südlich der Lippe mit den Entwicklungsschwerpunkten Werl, Soest, Lippstadt und Geseke sollte aktiviert und auf die Knotenpunkte Soest und Lippstadt konzentriert werden. Die Stadt Lippstadt sollte nach den Vorstellungen Isbarys um die Streusiedlungen bis zum Haustenbach vergrößert werden und den sogenannten „Entenschnabel“ aus dem Kreis Büren zugesprochen bekommen. Hierbei handelt es sich um eine Region des Altkreises Büren, zu der früher u. a. die Gemeinden Verlar, Mantinghausen, Hörste und Mettinghausen gehörten.

Die Pläne stießen nicht gerade auf Gegenliebe. So argumentierte der Kreis Lippstadt, dass die beiden Kreise Lippstadt und Soest in ihrer Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur stark divergierten, die meisten Gemeinden des Kreises Soest dem Kreis Lippstadt „wesensfremd“ seien und sich eine schädliche Rivalität zwischen Lippstadt und Soest entwickeln würde.

Strukturpolitische Gegenargumentation entworfen

Auch der Kreis Soest, der zusammen mit den Nachbarkreisen Lippstadt, Beckum und Arnsberg eine strukturpolitische Gegenargumentation zu den Vorstellungen des Raumplaners Isbary entwarf, kritisierte die vielen Gebietsabtretungen und betonte, dass zwischen Soest und Lippstadt keine wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen bestünden. So wollte man lieber in der alten Struktur bestehen bleiben, die in einem Schreiben des Kreises Soest an den Landkreistag NRW 1967 als „(…) ein ideal zugeschnittener Verwaltungsbereich mit aufstrebender wirtschaftlicher Entwicklung und vielfältiger landschaftlicher Gestalt (…)“, definiert wurde.

Ein Jahr später erschien das Gutachten „Abschnitt B – Die Neugliederung der Städte und Gemeinden in den Ballungszonen und die Reform der Kreise“, erarbeitet von der Sachverständigenkommission für die kommunale Neugliederung des Landes NRW. Ausgehend von der gemeindlichen Neugliederung, sollten Aufgaben auf der Bezirks-, Kreis- und Ortsebene verlagert werden und aus den bisherigen 57 Landkreisen 31 größere Kreise entstehen. Zu den Maßstäben dieses Gutachtens zählten u. a. geographische und wirtschaftliche Bedingungen, die Größe und Zuschnitte der neuen Kreisgebiete, die Entfernung zum Sitz der Kreisverwaltung und die zentralörtliche Ausrichtung. Die Einwohnerzahl sollte zwischen 150.000 und 200.000 Einwohnern liegen bei einer Größe zwischen 800 und 1.000 qkm. Auch dieser Ansatz sah wieder die Zusammenlegung der Kreise Soest und Lippstadt vor, alternativ auch die Eingliederung des Amtes Warstein aus dem Kreis Arnsberg.

Beginn der „heißen Phase“

1971 wurden Vertreter der beiden Kreise ins Innenministerium in Düsseldorf eingeladen und der Zeitplan zur Neugliederung im Raum Münster-Hamm vorgestellt. Der frühere Oberkreisdirektor Rudolf Harling beschrieb dies später als Beginn der „heißen Phase“ (Erinnerungen zweier Zeitzeugen, in: 25 Jahre Kreis Soest).

Der anschließend im September 1972 vorgelegte Plan zur Neugliederung der Raumes Münster-Hamm sah die Bildung des Kreises Lippstadt-Soest nach allen Regeln der Kreisreform als eine für ländliche Zonen fast ideale Konzeption an.

Letzten Endes stimmten nach weiteren Abstimmungstreffen und Kreis-Bereisungen durch die Neugliederungskommission, die auch „fliegende Kommission“ genannt wurde, beide Kreise dem Vorschlag zu und schlossen Gebietsänderungsverträge ab. Der Austausch zwischen beiden Kreisen intensivierte sich in Form regelmäßiger Besprechungen der Oberkreisdirektoren, Hauptverwaltungsbeamten und sonstigen Vertretern der Kreisverwaltungen.

Landrat Josef Raulf und OKD Rudolf Harling

Der Weg war geebnet und das „Münster/Hamm-Gesetz“ vom 09.07.1974 trat am 01.01.1975 in Kraft. Seitdem bilden die Gemeinden Anröchte, Bad Sassendorf, Ense, Erwitte, Geseke, Lippetal, Lippstadt, Möhnesee, Rüthen, Soest, Warstein, Welver, Werl und Wickede (Ruhr) den heutigen Kreises Soest. Zum Sitz der Kreisverwaltung wurde Soest bestimmt, die Altkreise Lippstadt und Soest aufgelöst und der neue Kreis Soest zum Rechtsnachfolger bestimmt. In der ersten Kreistagssitzung am 21.05.1975 wurde Josef Raulf zum Landrat gewählt, der bisherige Oberkreisdirektor des Altkreises Soest, Rudolf Harling, wurde nun Oberkreisdirektor für den neuen Großkreis.

Im neuen Kreiswappen sind die Ursprünge noch abzulesen, so ist dem alten Lippstädter Wappen mit dem Kurkölner Kreuz und der Lipperose noch der Soester Petrusschlüssel hinzugefügt.

Weitere Teile der Serie

1975 entstand der Kreis Soest in seinen jetzigen Grenzen (rot-weiße Linie). Auf der Karte zu sehen ist, dass mehr dazugehört als die Gebiete der alten Kreise Soest und Lippstadt sowie des Amtes Warstein aus dem damaligen Kreis Arnsberg. Hinzu kamen ebenso kleine Teile der alten Kreise Beckum, Büren und Unna sowie Wickede-Echthausen, das vorher ebenso wie Warstein zum alten Kreis Arnsberg gehörte. Foto: Liegenschaftskataster und Vermessung Kreis Soest

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