Zwei Tage lang unterzogen sich die beiden Stäbe im Rettungszentrum am Boleweg dem Stresstest, in Echtzeit choreografiert vom Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen (IdF NRW) mit Sitz in Münster. Die Simulation hat es in sich: Morgens um 5.50 Uhr gerät ein Umspannwerk in Lippstadt in Brand. Das Feuer richtet so großen Schaden an, dass die Stromversorgung mittelfristig nicht wieder hergestellt werden kann. Auch Lippetal-Schoneberg ist von dem Blackout betroffen. Kurz darauf stürzt in Erwitte ein Strommast um und verursacht einen flächendeckenden Stromausfall im dortigen Stadtgebiet. Handelt es sich um Sabotage?
Fast minütlich spitzt sich die Lage zu. Ohne Energie funktionieren Telefone und Mobilfunk nicht mehr. Auf den Straßen herrscht Verkehrschaos, weil es keine Ampelsignale gibt. Auf der Schiene bleiben Züge liegen und müssen evakuiert werden. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime schalten auf Notstromaggregate um, doch das gelingt nicht überall. Patienten, deren Leben an technischen Geräten hängen, läuft die Zeit davon. Und dann bricht an Tag zwei auch noch das Stromnetz in Warstein zusammen.
Die Dynamik der Ereignisse hält den Adrenalinspiegel beider Krisenteams konstant hoch. Im Krisenstab der Kreisverwaltung übernimmt zunächst Ricarda Oberreuter, Dezernentin für Gesundheit, Verbraucherschutz und Gefahrenabwehr, und am zweiten Tag dann Sascha Kudella, Dezernent für Jugend, Bildung und Soziales, die Leitung. Dem Einsatzstab der Feuerwehren steht der stellvertretende Kreisbrandmeister Meinhard Reinecke vor. Beide Teams stehen in engem Austausch und gleichen ihre Arbeitsschritte ab.
Schon kurz nach den ersten Ereignissen wird die Großeinsatzlage ausgerufen. Das ist notwendig, um die rechtliche Grundlage für das weitere Handeln des Krisenstabs zu schaffen. Mit dem Schritt übernimmt der Kreis außerdem die Koordinierung und Leitung der Lage. Selbst im Katastrophenfall darf nicht auf Bürokratie verzichtet werden: Jeder Arbeitsschritt der beiden Stäbe muss protokolliert werden, standardisierte Abläufe sind einzuhalten und Formblätter in vierfacher Ausfertigung auszufüllen. Die Dokumentation ist unabdingbar, um sich später bei etwaigen strafrechtlichen Ermittlungen abzusichern.
„Das Szenario war sehr intensiv und hat alle Mitglieder des Krisenstabs ordentlich ins Schwitzen gebracht. Genau das war allerdings Sinn und Zweck der Übung, denn nur so können wir erkennen, wo es in unseren Abläufen noch hakt und was verbessert werden muss, damit wir jederzeit optimal auf den Ernstfall vorbereitet sind“, resümiert Dezernentin Ricarda Oberreuter. Und Sascha Kudella ergänzt: „Wir werden auch in Zukunft regelmäßig Krisenszenarien üben. So stellen wir sicher, dass auch neue Mitglieder des Krisenstabs die Prozesse kennenlernen und für den Fall der Fälle bestmöglich gewappnet sind.“
Dem zweitägigen Stresstest voraus ging eine Schulung aller Krisenstabsmitglieder, in der die theoretischen Grundlagen der Krisenbewältigung vermittelt wurden. Der Kreis Soest übt regelmäßig die Abläufe im Katastrophenfall. Zuletzt war etwa im Herbst 2023 ein Blackout-Szenario durchgespielt worden. Wie wichtig die Übungen fürs echte Leben sind, zeigte sich dann wenig später am Jahresende: Auch im Weihnachts-Hochwasser 2023 war die Großeinsatzlage ausgerufen worden. Beide Stäbe arbeiteten eng zusammen, um die Folgen des Hochwassers für die Menschen im Kreis Soest vor allem an Glenne, Lippe und Ruhr möglichst gering zu halten.