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Schulterschluss gegen komplettes Pflanzenschutzmittel-Verbot  

Landrätin, Landwirtschaft und Naturschützer warnen: Bewirtschaftung von 35.000 Hektar fruchtbarster Ackerböden in Gefahr

Die Hellwegbörde steht möglicherweise vor einschneidenden Veränderungen in der Landwirtschaft: Ein von der EU geplantes Pflanzenschutzmittel-Verbot könnte Gemüse, Kartoffeln und Raps auf den fruchtbaren Böden im Kreisgebiet nahezu nicht mehr anbaufähig machen. Vor der Entscheidung des EU-Parlaments in der kommenden Woche appellieren Landrätin, Landwirtschaft und Naturschützer gemeinsam, das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde von der Regelung auszunehmen.

Gemeinsamer Appell
Ein von der EU geplantes Pflanzenschutzmittel-Verbot würde sich negativ auf die Bewirtschaftung der fruchtbaren Böden im Kreis Soest auswirken. Aus diesem Grund machen sich Landrätin, Landwirtschaft und Naturschützer gemeinsam dafür stark, das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde von der Regelung auszunehmen. Das Bild zeigt (von links): Dr. Jürgen Wutschka, Kreis-Dezernent für Regionalentwicklung, Joachim Drüke, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU), Josef Lehmenkühler, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest, Kreislandwirtin Gerlinde Hollmann und Landrätin Eva Irrgang. Foto: Judith Wedderwille/ Kreis Soest

An der Kartoffel lassen sich die Folgen eines Pflanzenschutzmittel-Verbots anschaulich machen: Wenn das Wetter kühl und feucht ist, schlägt schnell die Kraut- und Knollenfäule zu. In früheren Zeiten hätten dann massive Ernteausfälle durchaus zu Hungersnöten geführt – heute helfen Pflanzenschutzmittel dabei, die Ernte zu retten. „Wenn diese bei uns auf rund 35.000 Hektar verboten werden, ist doch ganz klar, was passiert:“, sagt Landrätin Eva Irrgang. „Für unsere Landwirtschaft lohnt sich der Anbau von Kartoffeln, aber auch von Raps und vielen Gemüsesorten nicht mehr. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Landwirtinnen und Landwirte, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die wünschen sich regionale Produkte, weil sie wissen, dass da die Qualität stimmt, und weil sie mit kurzen Wegen die Umwelt und das Klima schützen wollen.“ 

Natur- und Klimaschutz liegt auch den Landwirten am Herzen. Jahr für Jahr untermauern das die beeindruckenden Teilnahmezahlen an Vertragsnaturschutz-Maßnahmen: Aktuell beteiligen sich kreisweit rund 570 landwirtschaftliche Betriebe mit rund 3.600 Hektar an den Vertragsnaturschutzprogrammen, davon liegen rund 2.000 Hektar innerhalb des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde. Auch das weitere Reduzieren der Pflanzenschutzmittel sei den Landwirtinnen und Landwirten ein großes Anliegen, untermauert Josef Lehmenkühler als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes: „Wir können aber nicht komplett darauf verzichten.“ Wie Pflanzenschutzmittel auf den Betrieben eingesetzt werden, erläutert Kreislandwirtin Gerlinde Hollmann: „Genau wie bei Medikamenten sind die Prinzipien: Nur dann, wenn es unbedingt nötig ist und nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich, um die Pflanzen gesund zu erhalten. Wie auch bei Medikamenten geht es bei Pflanzenschutzmitteln nicht ganz ohne ihren Einsatz.“

Beide verweisen auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen, dass das geplante Totalverbot in Vogelschutzgebieten dem Naturschutz und der Landwirtschaft mehr schaden als nützen würde: „Raps, Kartoffeln, Gemüse und vieles mehr würden nicht mehr angebaut. Das stellt auch ein Gutachten der Fachhochschule Soest von Professor Dr. Friedrich Kerkhof fest. Weniger Vielfalt bei den Feldfrüchten bedeutet auch weniger Biodiversität; das Schutzziel gerät in Gefahr. Das darf so nicht kommen“, appelliert Lehmenkühler. 

Weniger ist mehr bei Pflanzenschutzmitteln – das sieht naturgemäß auch die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU) so. Für ein komplettes Pflanzenschutzmittel-Verbot im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde ist allerdings auch die ABU nicht. Vielmehr verweist ABU-Vorsitzender Joachim Drüke auf die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte durch die bewährte Zusammenarbeit von Landwirten, Landwirtschaftskammer, Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen beim kooperativen Vertragsnaturschutz. „Wenn wir hier allerdings durch ein Verbot die Mitarbeit der Landwirte beim Schutz bodenbrütender Vögel, bei der Anlage von Brachen und nicht bewirtschafteten Säumen verlieren, dann hat der Naturschutz verloren.“ Schließlich seien Feldvögel auf die seit Jahrhunderten bis heute durch die Landwirte geschaffene offene Kulturlandschaft angewiesen. „Wenn diese nicht mehr wie bisher bewirtschaftet werden kann, werde das fatale Folgen für viele Vogelarten haben“, unterstreicht auch Dr. Jürgen Wutschka als Kreis-Dezernent für Regionalentwicklung. „Damit wird eines der an sich ja gut gemeinten Schutzziele, nämlich der Natur- und Artenschutz, konterkariert. Wenn wir die Vogelarten erhalten wollen, dürfen wir ihnen nicht den Lebensraum entziehen.“

In einem Schreiben an die heimischen Europa-Abgeordneten hat Landrätin Eva Irrgang jetzt erneut auf die einschneidenden Folgen eines Pflanzenschutzmittel-Verbots im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde hingewiesen. „Unsere besondere Situation muss bei den Beratungen zwingend berücksichtigt und das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde muss von der geplanten Regelung ausgenommen werden“, fordert die Landrätin.